Liebe Unterstützer:innen,
unseren letzten Newsletter 2023 möchte ich mit einer kurzen Geschichte beginnen.
Der 17. November 2023 ist ein kalter Tag in Kahla, einer kleinen Stadt in Thüringen. Circa 40 Menschen haben sich auf dem Parkplatz vor dem Schützenhaus versammelt, um einen Gedenkstein einzuweihen. Einen Stein zum Erinnern an die nationalsozialistische Bücherverbrennung in Kahla, welche am 5. August 1933 nur wenige Meter vom Standort des Steins entfernt stattfand.
Ich bin an diesem Tag, trotz Nachwirkungen des Bahnstreiks, extra nach Kahla gekommen, um bei dieser Einweihung dabei zu sein denn Kahla ist für mich ein besonderer Ort. Kahla hat seit Jahrzehnten ein Problem mit rechtsextremen Akteur:innen, die sich niederlassen und ihre Netzwerke bilden. Im Jahr 2016 gab es einen Brandanschlag auf den dortigen Demokratieladen, nur einer von vielen Übergriffen.
Für unser Projekt war ich 2020 in Thüringen unterwegs und habe auch in Kahla den Ort der Bücherverbrennung fotografiert und die Aktiven des Demokratieladens getroffen. Das damals von mir gemachte Foto sorgte für einige Empörung in der Stadt, zeigte es doch den Eingangsbereich des örtlichen Freibades. Dieses würde damit in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt hieß es von den Empörten.
Der Hartnäckigkeit der Aktiven vom Demokratieladen und der lokalen Akteursrunde ist es zu verdanken, dass es nun, drei schwierige Jahre später, zur Einweihung des Gedenksteines gekommen ist, getragen vom einstimmigen Stadtratsbeschluss. Ich kenne keinem anderen Ort, an dem dieser Prozess derart schnell voran ging. Etwas womit ich 2020 nie gerechnet hätte. Deswegen war es mir sehr wichtig dabei zu sein an diesem 17. November. Die Bücherverbrennung in Kahla ist übrigens nur deshalb öffentlich geworden weil der Lokalhistoriker Peer Kösling von unserem Projekt hörte und uns auf die Verbrennung aufmerksam machte. Mein darauffolgender Besuch brachte den erinnerungspolitischen Stein ins rollen.
In Thüringen wird im September 2024 der Landtag neu gewählt. Alles deutet auf einen Sieg der AfD als stärkste Partei hin. Eine Partei, deren Thüringer Landesverband sogar vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingeordnet wird. Eine Partei, deren Landesvorsitzender ein Nazi ist. Eine Landtagswahl in einem Bundesland, welches sich in den letzten Jahren zu einem zentralem Sammelpunkt rechter Netzwerke entwickelt hat.
Ganz ähnlich sehen die Prognosen bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen aus, die ebenfalls im kommenden Jahr stattfinden.
Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe Angst! Angst vor dem, was auf uns zu kommt. Momentan findet eine beispiellose gesellschaftliche Debattenverschiebung nach rechts statt und seit dem 7. Oktober erleben wir eine Welle von antisemitischen Straftaten bis hin zu Brandanschlägen auf Synagogen und andere jüdische Einrichtungen.
Doch was haben diese ganzen Dinge miteinander zu tun? Das Beispiel aus Kahla zeigt, dass sich Hartnäckigkeit auszahlt und dass wir nicht den Kopf einziehen dürfen. Es zeigt, dass wir auch weitermachen müssen wenn es ausweglos scheint. Die Geschichte Kahlas im Allgemeinen zeigt auch, dass wir immer wieder auf unterschiedliche Weise gegen Rechts vorgehen müssen. Sei es in den Stadträten, in der Kneipe, auf der Straße oder in der Erinnerungsarbeit.
Unser Gedenkprojekt versteht sich seit seiner Gründung als antifaschistisches Projekt. Das „Kein Vergessen“ der Erinnerungsarbeit sollte zwingend mit den Bemühungen für ein „Nie Wieder“ verbunden werden.
In diesem Jahr war unsere Wanderausstellung zu den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen nicht nur auf den beiden großen Buchmessen vertreten, sie wurde auch an über 20 anderen Orten gezeigt. Wir haben mit unserem Buch die einzigste Neuerscheinung in diesem Jahr zu den Bücherverbrennungen auf den Markt gebracht und das im Jahr der 90. Jahrestage der Verbrennungen. Wir haben über 30 Vorträge gehalten.
Bei allen Aktivitäten stand die zentrale Frage im Raum: Was können wir aus den Ereignissen von 1933 lernen und wie können wir verhindern, dass ähnliches wieder geschieht?
Mit unserem Projekt erinnern wir nicht nur an die Bücherverbrennungen von 1933, wir treten aktiv für unsere Demokratie ein. Und das wollen wir auch in Zukunft machen und dafür brauchen wir eure Unterstützung!
Für unsere Arbeit sind wir angewiesen auf eure Spenden. Neben den Einzelspenden bieten wir auch die Möglichkeit unsere Arbeit langfristig mit einer Fördermitgliedschaft zu unterstützen, egal ob als Privatperson oder als Firma und Institution.
Mehr Infos: https://blog.verbrannte-orte.de/unterstuetzen/
oder direkt auf unser Konto spenden:
Verbrannte Orte e.V.
IBAN: DE98 2585 0110 0230 5479 03
BIC: NOLADE21UEL
Sparkasse Uelzen Lüchow-Dannenberg
Und natürlich freuen wir uns auch im nächsten Jahr auf viele Einladungen für unsere Ausstellung und zu Vorträgen.
Wir wünschen euch einen ruhigen Jahreswechsel und bitten euch: Stellt euch dem Rechtsruck in den Weg, wo immer ihr könnt.
Jan Schenck
Verbrannte Orte e.V.